Die Hepatica blickt zurück auf eine lange Geschichte aus wundervollen Erzählungen. Wir wollen Sie mitnehmen und Ihnen einige davon erzählen ...

Zunächst möchte Ich mich vorstellen: mein Name ist „Blaues Wunder“, Entschuldigung, mein vollständiger Name ist  Hepatica nobilis var. nobilis „Blaues Wunder“ für diejenigen, die es mit der Namengebung immer so genau nehmen.

Als vor einigen Jahren mein Finder und jetziger Erzähler mich unter den vielen anderen meiner Gattung herausgelesen hat, beeindruckte ihn wohl meine Blütenpracht mit den großen dunkelviolett-blauen Kronblättern und den ebenmäßigen, drei gleich großen Blattloben. Nun ja, ich bin eben eine stattliche Pflanze mit meiner Höhe von ca. 20 cm. Das wäre über mein Aussehen zu sagen, so dass Sie wissen, mit wem sie es zu tun haben. Denn ich möchte Ihnen gerne erzählen, wie so ein Jahr in meinem Leben aussieht:

Wir fangen im April des Jahres an, da dann meine Nahrungsaufnahme besonders aktiv ist. Der Boden ist schön feucht, die Sonne bringt angenehme Wärme, meine Wurzeln sprießen und an meinen Blütenstängeln reifen Saatfrüchte für meine Nachkommenschaft. In diesem Monat sind meine Verehrer bei mir und teilen mich, dass von mir eine gleiche Nachkommenschaft gezogen werden kann.

So geht es in den Mai. Jetzt wachsen und sprießen meine Artgenossen und ich und sammeln Kraft, um über die heißen Monate Juni und Juli zu kommen. Dabei reifen bei mir die Saatkörner aus, so dass meine Freunde, die Ameisen, sie im ganzen Garten verbreiten können. Die neuen Blätter, die ich mir zugelegt habe, werden stabil und kräftig, sodass die Alten sich nach unten zur Ruhe legen können, um Humus zu werden und dazu zutragen, dass wieder Nährstoffe in den Kreislauf Erde kommen.

Im Juni stellt sich eine gewisse Monotonie ein, die Gräser um mich wachsen und bringen Kühle und Morgentau mit, es wimmelt allerlei Getier um mich herum, und ich muss aufpassen, dass mich nicht so ein Käfer oder eine Raupe meiner schönen neuen Blätter beraubt. Der Juli ist warm, oft zu heiß für mich und ich lege mein Blattwerk ganz flach auf den Boden, sodass ich die letzte Bodenfeuchte noch in mir aufnehmen kann. Aber auch hier Achtung! Es sind jetzt diese Schimmelpilze unterwegs und sie besetzen gerne schwächliche Blätter und benutzen diese als Nahrung. Da bin ich schon froh, wenn mein Gärtner mit einem Desinfektionsmittel vorbei kommt, um mich vor schlimmen Befall zu bewahren.

Nun steht der August ins Haus, der mir Wärme, mit oft kühlen Nächten bringt, die ich so liebe. So fange ich noch einmal an, in meinen Wurzeln für den Winter Nahrung zu speichern. Ich bin dankbar, wenn ich eine kleine Düngergabe über die Blätter und Erde für meine Wurzeln bekomme.

Selbst im September und Oktober wachse ich noch, um mich zu stärken, denn man weiß ja nie, wie lang der bevorstehende Winter andauert.

Im November begebe ich mich zur Ruhe. Es wird mir zu kalt, denn die Sonne und damit die Wärme werden immer seltener. Mein Freund, der Gärtner, verbessert jetzt die Erde mit etwas Kalk, Tongranulat, Lehmgaben und Naturdünger. Er möchte mich vorbereiten auf die schönste Zeit in meinem Jahresablauf. 

Der Dezember ist grau und trübe, sodass die Blätter mich zugedeckt haben und mich vor den Frösten und den kalten Winden schützen. 

So gut verwahrt, schlafe ich noch einen Monat in den Januar hinein, wobei in mir so langsam die Ungeduld wächst, was mir der Vorfrühling wohl bringt. Ich merke, dass meine Wurzeln durch die langsame Erwärmung anfangen ungeduldig zu werden. So allmählich regt sich in mir das Erwachen. 

Ende Februar schieben sich schon die ersten Knospenstiele nach oben, um zu sehen, wie es über den Blättern aussieht. 

Der März bricht an und nun beginnt mein Jahresfeuerwerk: Meine Blütenstiele schieben sich mehrfach aus meinen geschwollenen Knospen, um in aller Pracht die Kronblätter zu entfalten. Ich habe jetzt mein Hochzeitskleid an, um allen zu zeigen, wie glücklich ich bin. Der Winter ist vorbei! Der laue Wind und die ersten Bienen, streicheln meine Blüten, um die Blütenstempel mit Pollen zu bestäuben, sodass der Lebenskreislauf auf ein Neues beginnen kann. 

Ich hoffe, dass Ihr mich mal besuchen kommt, um Euch an dem Feuerwerk der Blütenhochzeitskleider von mir und meinen Artgenossen zu erfreuen.

 

Es lädt euch ein, euer Leberblümchen: „Blaues Wunder“
 Jürgen Peters, 2008 November

Ein Leberblümchen erzählt weiter ...

Erinnern Sie sich noch an mich? Ich möchte nicht angeben, aber ich bin schon etwas Besonderes.

Mein Name ist ‘Blaues Wunder‘, oder um es ganz richtig zu machen: Hepatica nobilis var. nobilis ‘Blaues Wunder‘.

Ich bin eine sehr schöne Auslese, aus der hier im Norden Europas heimischen Leberblümchenart. Wie man an meinen drei gleichgroßen Blattloben erkennen kann, gehöre ich in die Triloba-Gruppe. Ganz im Gegensatz zu der sogenannten Angulosa-Gruppe, die durch größere, fünflappige Blätter und vor allem eher waagerecht gestellte Knospen auffällt.

Der rumänischer Familienzweig aus der Angulosa-Gruppe (Hepatica transsilvanica) hält sich meist etwas abseits von uns, dabei sehen sie so interessant aus. Groß, stattlich, auch auf trockenen Böden toll wachsend … Ach, ich komme ins Schwärmen.

In den vergangenen Jahren war ich bei mehreren „Familientreffen“, daher weiß ich, dass es viele Formen und Standortvarianten gibt. Da gibt es zum Beispiel die hübsche Marmorierung auf den Laubblättern. Vor allem bei der Verwandtschaft aus den Pyrenäen war das oft zu sehen. Und stellen Sie sich vor, eine meine Tanten (Hepatica nobilis var. glabrata) aus Skandinavien hat keinerlei Rotanteil in sich, ein richtiger Albino in Grün also. Um noch speziellere Typen in der Verwandtschaft kennenzulernen, müsste ich mehr reisen. Meine Eltern unterhalten einen regen Briefwechsel mit Amerika, da gibt es einige Verwandte (Hepatica nobilis var. acuta und Hepatica nobilis var. obtusa). Ich erinnere mich, dass es hieß, sie hätten viel mehr Härchen an ihren Blatt- und Blütenstängeln. Offensichtlich ist die Laubschicht viel dicker, durch die man im Frühjahr wachsen muss, da helfen die Haare beim „durchgleiten“.

Spannendes hat auch ein Onkel aus dem fernen Korea berichtet. Er erzählte von einem Riesen in ihrer Familie, der alleine auf eine Insel lebt (Hepatica maxima). Mit gut fünfundzwanzig Zentimeter Höhe und ungewöhnlich großen Laubblättern und Saatständen fällt diese Art besonders auf. Gleichfalls im fernen Korea wächst die zierliche Hepatica nobilis var. insularis. Im Winter einziehendes, wunderschön gezeichnetes Laub ist hier hervorzuheben.

Und wenn ich schon von den asiatischen Verwandten berichte, da gab es doch noch diese kleine Oma aus China, sie ist anscheinend näher mit dem rumänischen Teil der Familie verwandt, denn auch ihre kleinen Laubblätter sind fünflappig. Wirklich zierlich, die Dame. Auf einem sehr bekannten Berg wächst eine weitere Art aus der Angulosa-Gruppe. Diese ist allerdings viel größer, hat toll behaartes Laub und eine fantastisch aussehende Blattunterseite in purpurrot.

Bereits in meiner Kindheit wurde von einem verschollenen Verwandten erzählt. Und nun hat man ihn tatsächlich in Zentralasien wiederentdeckt. Hepatica falconeri gehört auch zu den fünf gelappten Arten, aber viele bezeichnen ihn als die Ur-Hepatica.

Dabei finde ich ja, er hat wenig mit uns gemein – ganz tief eingeschlitzte Laubblätter und sehr zierliche Blüten. Hoffentlich hält er sich nicht für etwas Besseres …

Aber besonders stolz ist meine Familie auf ihre Verbindungen nach Japan. In dem Land werden Hepatica schon seit Jahrhunderten verehrt, es gibt sogar Städte, die unsere Blüten als Wappen tragen. Die Farben der dortigen Familienmitglieder sind oft viel intensiver und die Formen wesentlich vielfältiger als in unseren heimischen Wäldern. Da kann man schon mal neidisch werden. Allerdings hab ich mir sagen lassen, dass viele asiatische Arten im Winter ziemlich herumschwächeln. Sie sind einfach keine normale, matschig-nasse Jahreszeit gewöhnt.

Naja, dann müssen sie halt im Garten die besten Plätze bekommen, wir Einheimischen sind da ja nicht so anspruchsvoll. Aber noch besser wäre wohl, unsere jeweils besten Eigenschaften zu erhalten oder gar zu verknüpfen. So, wie sich in der Natur immer der Stärkste durchsetzt und Anpassung sinnvoll ist. Doch dafür brauchten wir Hilfe, denn auf Grund der Entfernungen, lässt sich dieses nicht durch Bienen und Wind erreichen. Also hab ich mal mit einigen Gärtnern gesprochen …

Und tatsächlich, die ersten spannenden Versuche hat schon vor Jahrzehnten ein Schwede unternommen. In Deutschland gab es die ersten Kreuzungen von Hepatica nobilis var. pubescens mit Hepatica transsilvanica. Die wirklich wunderschönen Kinder aus dieser Vereinigung fasst man zur Zeit als Hepatica x euroasiatica zusammen. Zweifarbige Blüten, gute Wuchseigenschaften und so robust im Garten, wie meine heimischen Schwestern und Brüder.

Wenn also das Einkreuzen von Hepatica transsilvanica sehr gut wüchsige, robuste Gartenstauden hervorbringt, dann liegt hier wohl die Zukunft. So legt zum Beispiel mein Züchter den Schwerpunkt auf die Verbindung von Hepatica transsilvanica und die wunderschönen japanischen Formen und Farben (Hepatica x tranns-japonica). Nicht, dass wir heimischen Pflanzen nicht schön wären, aber ihr hättet mal beim letzten Familientreffen die Ecke mit den jungen Leuten beobachten sollen. Große, gutaussehende Typen mit leuchtend rosa oder ganz dunkelblauen Blüten. Gesundes Laub und kein bisschen Zimperlichkeit hinsichtlich unseres norddeutschen Wetters. Ich freue mich schon aufs nächste Mal, mal schauen, ob die Familie weiter wächst …

Ich hoffe, Euch ein wenig neugierig, auf mich und meine weitläufige Familie, gemacht zu haben. Besucht uns doch mal in unserem Hepatica-Garten im echten Norden

Es lädt ein, euer Leberblümchen: ‘Blaues Wunder‘